Joachim Hoell

Hermann Beil liest Thomas Bernhard von Joachim Hoell

Vom Autor gekürzte Lesefassung
Umfangreiches Booklet mit einleitendem Text und Zeittafel

75. Geburtstag von Thomas Bernhard am 9. Februar 2006

Präsentation am 20. März 2006 um 20.00 im Berliner Ensemble

Januar 2006
2-CD-Set, Euro 19.90
ISBN 3-938781-10-6
INDIGO Best. Nr. 65102

Thomas Bernhard nimmt einen herausragenden Platz in der europäischen Literatur des 20. Jahrhunderts ein. Seine Romane sind fester Bestandteil des literarischen Kanons, seine Theaterstücke gehören zu den meistgespielten im deutschsprachigen Raum, seine Autobiografien sind Pflichtlektüre in der Schule, sein Werk ist in über 50 Sprachen übersetzt - ein Klassiker schon zu Lebzeiten, der seinen unverwechselbaren Ton in die Literatur einführte.
Joachim Hoell lässt in seiner Bernhard-Biographie in Gesprächen mit Familie und Freunden, mit Nachbarn und Gastwirten, mit Landaristokraten und Ferkelhändlern sowie unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Literatur und den Berichten von Zeitzeugen das Bild eines in seiner Widersprüchlichkeit und Widerspenstigkeit faszinierenden Charakters entstehen.

»Joachim Hoell skizziert Thomas Bernhard präzis und wohldokumentiert. Er verfällt weder der Heroisierung noch der kühlen Distanz. Nicht hoch genug ist sein Verdienst zu schätzen, dass er Leben und Werk zu trennen weiß, ohne sie ganz voneinander zu lösen - er rückt jedes an seinen Ort.« Neue Luzerner Zeitung


Hermann Beil, gebürtiger Wiener, Dramaturg u.a. am Wiener Burgtheater und bei den Salzburger Festspielen, seit 1999 am Berliner Ensemble. Auch Regisseur (Beton, Alte Meister) und Rezitator (Wittgensteins Neffe, Der Stimmenimitator, Ein Kind und zusammen mit Claus Peymann Thomas Bernhards Dramolett Claus Peymann und Hermann Beil auf der Sulzwiese).
1995 erhielt er zusammen mit Claus Peymann den Berliner Theaterpreis, 1996 den Deutschen Kritikerpreis.

 

Pressestimmen

 

Sein Werk ist in 50 Sprachen übersetzt, seine Theaterstücke gehören zu den meistgespielten im deutschsprachigen Raum – Thomas Bernhards unverwechselbarer Ton hat die Literatur um vieles bereichert. Zu seinem 75. Geburtstag erschien dieses kluge Portrait von Joachim Hoell, Germanist und profunder Kenner des österreichischen Schriftstellers. Hoell verbindet hier Lebenserzählung und Werkinterpretation auf wirklich überzeugende Weise. Dank des Wiener Dramaturgen und Rezitators Hermann Beil entstand ein Hörbuch, das das Interesse des Hörers auch ohne Originalaufnahmen von Thomas Bernhardt dauerhaft lebendig hält.

hr2 Hörbuch-Bestenliste vom März 2006

Die ausgezeichnete Buchbiografie des Berliner Germanisten Joachim Hoell aus dem Jahr 2000 bildet die Grundlage für das "Portrait" Thomas Bernhards. Die ausführliche Grundinformation in zweieinhalb Stunden Hörzeit über Leben und Werk des Autors wird ergänzt von Zitaten und Anekdoten und bleibt dabei seriös informativ. Die hochkarätige "Besetzung" Bernhard / Hoell / Beil hält, was sie verspricht: ein kurzweiliges und dabei genaues und einprägsames Bild des im wahrsten Sinne des Wortes "umstrittenen" Autors. Umstritten auch zu seinem 75. Geburtstag, den der 58-jährig Verstorbene im Februar 2006 gefeiert hätte.
Während Claus Peymann und Hermann Beil Thomas Bernhard in Berlin mit seinem Dramolett "Claus Peymann und Hermann Beil auf der Sulzwiese" unter dem Motto "Weltkomödie Österreich" feiern, muss Wien auf ein Bernhard-Revival noch bis zu den diesjährigen Wiener Festwochen warten. Nicht ohne Bissigkeit wird verlautet, dass das weit im Voraus ausverkaufte Stück nur vor Nicht-Österreichern gespielt werden sollte, ganz im Sinne "einer Bernhardschen Bestrafung".

Der aus Wien stammende und in Berlin lebende Dramaturg und Literaturkritiker Hermann Beil ist also ein geübter Bernhard-Vorleser, der sich erfreulicherweise der Information und nicht der Inszenierung verpflichtet. Auf Bernhard-Zitate muss er nicht extra verweisen, er forciert nur ein wenig Tempo und Tonfall und schon hat man sie im Ohr, die "typisch" Bernhard'sche Sprache. Die Qualität einer Buchbiographie, nämlich das Nachlesen von Daten und Ereignissen, das Stöbern in Bildern lässt sich "naturgemäß" (dieses Wort meide ich im Normalfall, da es ein Bernhard-Wort ist) nicht einlösen, doch gibt es immerhin ein ausführliches Booklet, das die wichtigsten Lebens- und Werkdaten enthält. Die Schlüssigkeit, mit der Beil / Hoell den Werdegang des Autors erzählt, verführt zu einer geradlinigen Nacherzählung, die zeigt, wie logisch ein Leben verläuft, wenn man es nur richtig zusammenfasst.

Thomas Bernhard wurde 1931 als uneheliches Kind in den Niederlanden geboren und ist in seinen ersten Lebensjahren der ganzen Trostlosigkeit seines und der Mutter Schicksal ausgeliefert. Als übermächtiges Vorbild wirkt der Großvater Johannes Freumbichler, der die eigene Fixierung auf sein Künstlerleben auf den Enkel überträgt. Die Armut, in der Thomas Bernhard zwischen dem Salzburgischen und Bayern vaterlos aufwächst, die daraus erwachsenden harten Lebensbedingungen und seine spätere Lungenkrankheit, die nationalsozialistische bzw. katholische Erziehung, die Folgen des Krieges sind das Fundament für Bernhards spätere literarische Arbeit. Ganze 50 Minuten - das ist ein Drittel der gesamten Hördauer - werden diesen Grundlagen des Bernhard'schen Werkes gewidmet, in die bereits zahlreiche Verweise auf den späteren literarischen Niederschlag eingearbeitet sind.

Höhepunkt und zugleich Wendepunkt dieser von erdrückender Härte geprägten Kindheit und Jugend ist die Einlieferung des 18-jährigen ins Spital mit "nasser Rippenfellentzündung", mit der der schwer Erkrankte ins Sterbezimmer verlegt wird und in dem sich niemand mehr um den zwischen Leben und Tod Schwebenden kümmert. "Der Atem. Eine Entscheidung" (1978) wird 30 Jahre später von dieser seiner Entscheidung zum Leben erzählen. Der Tod des dominanten Großvaters, der sich zeitgleich mit dem Enkel im selben Krankenhaus befindet, stirbt an Blutvergiftung. Thomas Bernhard erbt den Bücherkasten und die Schreibmaschine und entscheidet sich für das Künstlertum, denn, so sagt er später: "eine Arbeit nur um überleben zu können, davor ekelte ich mich".

Im "Portrait" wird das Bild eines Menschen gezeichnet, der festen Willens ist, "aufzusteigen", der Chancen wahrnimmt, Hilfe annimmt und sich selbst nicht im Wege steht. Hedwig Stavianicek, Carl Zuckmayer, Gerhard Lampersberg, Karl Hennetmair, Siegfried Unseld und Claus Peymann sind wichtige Wegbegleiter, die den Autor "weiterbringen", teils persönlicher, künstlerischer, geschäftlicher, finanzieller oder geistiger Natur, auch wenn sich diese Freundschaften mitunter in wütende Feindschaften verkehren. Fraglos findet keine künstlerische Karriere ohne entsprechende Qualität statt, dennoch zeichnet das Portrait eine Persönlichkeit, die es verstand, diese Qualität zu vermarkten.

Neben seiner journalistischen Ausbildung beim Salzburger Demokratischen Volksblatt (auf Empfehlung Zuckmayers) nimmt Bernhard Gesangs- und Schauspielunterricht (durch Unterstützung von Stavianicek) und legt eine Prüfung für Regie ab. Hier wird das "Kapital" aufgebaut, von dem Bernhard später lebt. Bereits jetzt zeigt sich ein pointierter, zu Übertreibungen neigender Stil, er findet Zugang zu Künstlerkreisen und lernt das Handwerk für den schauspielerischen Einsatz seiner eigenen Person wie auch der Dramaturgie seiner Theaterstücke. Thomas Bernhards erklärtes Ziel ist es, als Künstler nicht wie sein Großvater zu scheitern. Schreiben muss mit Erfolg gekoppelt sein, diesem Druck setzt er sich gezielt aus, nur mit dieser Selbst-Erpressung lässt er sich auf das Künstlertum ein.

Nach lyrischen Anfängen in den 50er Jahren wendet er sich der Prosa zu und schreibt sich mit "Frost" 1963 in die vordersten literarischen Ränge (nicht ohne sich eine "positive" Rezension von Carl Zuckmayer erbeten zu haben). Seine Theaterstücke machen ihn in den 70er Jahren zum meist gespielten zeitgenössischen Autor- durch die kongeniale Ergänzung, die er in Claus Peymann findet und dessen Dramaturg einige Jahre Hermann Beil war. Bernhards Stücke sind Bürgerprovokationen, die eine einzige österreichische Erregung darstellen. So wie bei ihm selbst Lachen und Weinen oft eins sind, sein tiefster Sarkasmus, sein bedrückendster Pessimismus immer auch eine groteske humoreske Note hat, wird sein Werk zwischen ehrlicher Empörung und beipflichtender Häme aufgenommen. Österreich ist ein "vaterländischer Kerker" bemerkte er bereits 1968 in seiner "Dankes"rede zum Kleinen Österreichischen Staatspreis für "Frost" und provozierte einen Skandal. Von dieser Haltung weicht er bis zum Schluss nicht ab und verabschiedet sich mit der "Österreichbeschimpfung" in "Heldenplatz", das 1988 kurz vor seinem Tod am Wiener Burgtheater aufgeführt wird. Aber (so 1968) "es ist alles lächerlich, wenn man an den Tod denkt".

In seinem Testament hat Thomas Bernhard ein 70-jähriges Publikations- und Aufführungsverbot für seine Werke in Österreich verhängt - das von einer Bernhard-Stiftung einige Jahre später außer Kraft gesetzt wurde: eine österreichische Lösung.

Beatrice Simonsen

31. März 2006

 

Wer den privaten Bernhard kennenlernen will, dem sei die Hörbuch-Biographie von Joachim Hoell empfohlen. Der in Berlin lebende Germanist schöpft aus einem Fundus an Gesprächen mit Familie, Zeitgenossen, Freunden und Nachbarn und lässt dabei den widersprüchlichen privaten Bernhard lebendig werden, ob als einsamen Landjunker in der österreichischen Provinz oder als Wiener Original, der die Gesellschaft der Kapitale wie kaum ein zweiter zu spalten vermochte.
Hermann Beil, der Auszüge aus Hoells vor fünf Jahren im DTV-Verlag erschienenen Biographie eingesprochen hat, ist untrennbar mit dem Namen Bernhard verbunden. Gemeinsam mit Claus Peymann hat er zahlreiche Werke von Bernhard in Hamburg, Bochum, an der Wiener Burg oder derzeit am Berliner Ensemble zur Aufführung gebracht oder gelesen. Nicht umsonst kommt beiden die Ehre zuteil, Hauptfiguren eines Dramoletts von Bernhard zu sein: »Claus Peymann und Hermann Beil auf der Sulzwiese«.
Hoell zeigt dem Leser in zehn Kapiteln, die Bernhards wichtigste Lebensstationen umfassen, einen verletzten Autor mit kritisch-boshaften Geist, der wie besessen umso intensiver an seinem Werk arbeitete, je stärker ihn die Lungenkrankheit daran hinderte. Ein Werk, dessen Wertes sich Bernhard durchaus bewusst war und für das er von seinen Verlegern Höchstsummen verlangte.
Beils Rezitat von Hoells Biographie ist geradeaus, geradezu schnörkellos, mal getrieben, atemlos, mal deklamierend und getragen. Wer Aufnahmen von Thomas Bernhard kennt, seine Lesungen des eigenen Werks, kann durchaus das Vorbild hören.

Holger Schlodder

9. Februar 2006

 

Joachim Hoell maßt sich nicht an, den wahren, den einzigen Bernhard zu beschreiben, wohl wissend, dass der große Theatermacher sich immer hinter Masken verborgen hat. »Indem Bernhard mit verschiedenen Versatzstücken aus Leben und Kunst jongliert, treibt er ein Spiel mit der Wahrheit, mit dem Leser und mit sich selbst. Dieses Spiel hat er nach und nach so weit perfektioniert, dass zwischen der realen Person des Autors, den fiktiven und autobiografischen Figuren, dem Leserbriefschreiber und Interviewpartner kaum noch zu unterscheiden ist.«
Offenbar brauchte Bernhard diese Rollenspiele, um sich dem Zugriff auf seine Person zu entziehen. Die dicken Mauern seiner bis zur Musealität perfekt restaurierten Bauernhöfe waren so ein Schutzwall. Und natürlich das Schreiben selbst: Hoell deutet kenntnisreich an, wie der Lebensstoff zu Literatur wurde und wie umgekehrt das Schreiben dieses Leben bestimmt, wenn nicht sogar gerettet hat.

9. Februar 2006

 

Wohltuende Klarheit in die gerade bei Thomas Bernhard immer wieder feststellbaren Verflechtung von Leben und Werk bringt das von Joachim Hoell verfasste Portrait des unbequemen Dichters. Der Autor skizziert darin Bernhards schwierige Kindheit ebenso wie dessen Verhältnis zu Johannes Freumbichler und Hedwig Stavianicek, den von ihm immer wieder als »Lebensmenschen« bezeichneten wichtigsten Bezugspersonen seiner Jugend- und Erwachsenenzeit.
In weiterer Folge thematisiert der vom langjährigen Peymann-Mitarbeiter und Dramaturgen Hermann Beil gelesene Text selbstverständlich auch die markantesten Stationen der Erfolgsgeschichte von Thomas Bernhards Oeuvre, bis hin zum großen Finale mit dem Roman »Auslöschung« sowie dem kurz vor Bernhards Tod uraufgeführten Theaterstück »Heldenplatz«.

Bruno Lässer

18. Februar 2006

 

Etwas atemlos startet Hermann Beil seine Erzählung der schwierigen Kindheit und unglücklichen Jugend des Sprachvirtuosen Thomas Bernhard, doch die Aufregung ist nur angemessen, und Beil verfällt bald in einen ruhigeren Sprachduktus, der doch immer wieder der Empörung über das Gelesene hörbar zu weichen versteht. Die perfekte Kombination gut dosierten Overactings mit einem ebenso gut dosierten österreichischen Unterton, die fast leidenschaftliche Begeisterung des Sprechers über Bernhards Hass auf Ärzte, seine journalistischen Gehversuche oder seine literarischen Provokationen und Skandale, steigert das Hörvergnügen dieses Dramas einer Biografie ganz beträchtlich. Die gravierende Kürzung gegenüber der Buchvorlage wurde von Autor Hoell selbst durchgeführt und mit gesteigerter Eingängigkeit und Stringenz begründet, das Ergebnis bestätigt das Vorgehen. Das knappe Booklet liefert immerhin mit einer Zeittafel zusätzliche Orientierung.

Kai Schmidt

18/06: 24.08 - 06.09 2006